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- 1. Einführung
- 2. Was macht Szenario-Management so besonders?
- 3. Das Ökosystem des Szenario-Managements
- 4. Die vier wichtigsten Vorteile von Szenario-Management
- 5. Herausforderungen auf dem Weg zum Szenario-Management
- 6. Szenario-Management in Planungsprozesse einbeziehen
- 7. Reifegradmodell für Szenario-Management
- 8. Implementierungsstrategie für das Szenario-Management
- 9. Zusammenfassung und Ausblick
1. Einführung
In unserem heutigen, sich schnell verändernden Umfeld sind Unsicherheiten die Norm – und die Zukunft steckt voller Möglichkeiten. Das stellt insbesondere Finanzteams vor große Herausforderungen, da sie dafür verantwortlich sind, Entscheidungsprozesse zu steuern, zu planen und zu unterstützen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenlage umfangreich und unzuverlässig ist, Finanzmodelle sich kontinuierlich weiterentwickeln und Geschäftstreiber und Marktbedingungen sich so schnell ändern, dass es fast unmöglich ist, verlässliche Pläne und Forecasts zu erstellen und Entscheidungen für die Zukunft zu treffen.
In der Finanzplanung und Analyse (FP&A) geht man seit mehr als einem Jahrhundert davon aus, dass sich die Auswirkungen der meisten Ereignisse 12 bis 18 Monate vor deren Eintreten vorhersagen lassen. Daher ist es üblich, Jahresplanungen durchzuführen und Stakeholder jährlich zu beteiligen. In den letzten Jahren hat jedoch die Vorhersagegenauigkeit abgenommen, wie Abbildung 1 zeigt. Viele Unternehmen haben heute einen Prognosehorizont von weniger als einem Jahr, oft sogar nur von Monaten, Wochen oder gar Tagen. Abgesehen vom unternehmensspezifischen Prognosehorizont ist die Zukunft ungewiss und hält zahlreiche mögliche Szenarien mit unterschiedlichen Auswirkungen bereit.
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Abbildung 1. Die Spanne der Unsicherheit
Vor allem die moderne Geschäftswelt, in der Prozesse rund um die Uhr weltweit vernetzt sind, hat den Wandel von Sicherheit zu Unsicherheit vorangetrieben. Unternehmen sind somit anfälliger für externe Faktoren außerhalb ihres Einflussbereichs, wie etwa geopolitische oder klimatische Ereignisse. Zusätzlich hat der technologische Fortschritt den Geschäfts- und Produktlebenszyklus sowohl für Anbieter als auch für Wettbewerber deutlich verkürzt. Das wiederum eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten, da neue Konkurrenzprodukte auch während eines im Voraus geplanten Jahres auftauchen und die Marktdynamik beeinflussen können.
Als Reaktion auf die zunehmende Unsicherheit haben einige führende Unternehmen beschlossen, sich von den klassischen Planungsmethoden abzuwenden. Sie verlassen sich bei Prognosen nicht mehr nur auf aktuelle Trends. Stattdessen konzentrieren sie sich darauf, zukünftigen Unsicherheiten unternehmensweit proaktiv zu begegnen. Dazu analysieren sie die Veränderungen und das Zusammenspiel verschiedener Einflussfaktoren, die ihnen wiederum Aufschluss über mögliche Zukunftsszenarien geben können. Entsprechend passen sie ihre Entscheidungsprozesse und Strategien an, um auf diese möglichen Zukunftsszenarien vorbereitet zu sein. Dieser Ansatz ist allgemein als „Szenario-Management“ bekannt. Dabei handelt es sich nicht einfach nur um einen Prozess, sondern um ein Umdenken.
„Mithilfe des FP&A Szenario-Managements können sich Unternehmen auf verschiedene, durch Unsicherheiten bedingte Zukunftsszenarien vorbereiten. Es handelt sich dabei um einen in sich geschlossenen, agilen Prozess, bei dem kontinuierlich neue Maßnahmenpläne entwickelt werden, damit die Geschäftsleitung die Auswirkungen möglicher Ereignisse abmildern oder zu ihrem Vorteil nutzen kann.“
Die Ergebnisse unserer Forschung zeigen, dass das Szenario-Management unverzichtbar ist, um den Anforderungen der heutigen dynamischen Geschäftswelt gerecht zu werden. Wir legen jedem ans Herz, sich für ein leistungsstarkes Szenario-Management im eigenen Unternehmen einzusetzen.
In unserem Bericht beleuchten wir den Übergangsprozess und die Herausforderungen, denen sich Unternehmen bei der Einführung von Szenario-Management gegenübersehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der praktischen Umsetzung. Zusätzlich haben wir vertiefende Interviews mit führenden Finanzfachleuten und Vordenkern aus dem Finanzbereich geführt, darunter auch persönliche Dialoge mit verschiedenen Mitgliedern des International FP&A Board. Unser Bericht stützt sich außerdem auf die Ergebnisse aktueller Umfragen, die wir analysiert und zusammengefasst haben. Wir hoffen, damit Unternehmen einen Fahrplan auf ihrem Weg durch die unsichere Geschäftswelt von heute an die Hand geben zu können.
2. Was macht Szenario-Management so besonders?
Szenario-Management unterscheidet sich von der klassischen Planung insofern, als es in einem unsicheren Geschäftsumfeld die Unternehmensressourcen an den strategischen Zielen ausrichtet. Im Wesentlichen geht es beim Szenario-Management darum, dass Unternehmen bewusst für mehrere verschiedene Zukunftsszenarien planen.
Im Folgenden werden die Unterschiede zwischen den Planungsansätzen erläutert:
Das Szenario-Management ist ein kollaborativer und von einem Planungskalender unabhängiger Prozess, der die Leistungstreiber im gesamten Unternehmen kontinuierlich überwacht. Aus den gewonnenen Erkenntnissen lassen sich verschiedene Zukunftsszenarien ableiten und bewerten. So kann die Geschäftsleitung Alternativpläne erstellen, die sich sofort
„Szenario-Management ist eine strategische Weiterentwicklung, die die Vorteile von Top-down- und Bottom-up-Planungsmethoden miteinander verbindet. Dabei wird die Verantwortlichkeit auf lokaler Ebene beibehalten, aber effizienter strukturiert und eine nahtlose Interaktion zwischen lokalen und zentralen Fachabteilungen gefördert.“
3. Das Ökosystem des Szenario-Managements
Nachdem das Grundprinzip erklärt ist, wollen wir uns den wesentlichen Komponenten zuwenden, aus denen das Ökosystem des Szenario-Managements besteht. Für eine effektive Umsetzung und einen verlässlichen Rahmen müssen die folgenden sechs Aspekte gegeben sein.
1. Daten
Das Szenario-Management basiert in erster Linie auf zuverlässigen, leicht zugänglichen, aktuellen und umfassenden Daten, die sowohl interne als auch externe Betriebsbedingungen berücksichtigen. Wie Jack Clark, Manager Solution Advisory bei Jedox, zu Recht betont: „Ohne eine verlässliche Datenbasis ist es schwierig, Szenario-Management zu betreiben. Vor allem, wenn man funktionsübergreifend zusammenarbeitet“.
2. Modelle
Modelle bilden die Grundlage für die Abbildung der verschiedenen Produkt- und Dienstleistungslebenszyklen. Sie sollten idealerweise dynamisch und treiberbasiert sein, um umsetzbare Szenarien generieren zu können.
Wichtig sind Modelle, die die GuV, Cashflow und Bilanz einbeziehen. Michael Huthwaite, Director of Product Management, Intelligent Reporting bei Walmart, betont die Bedeutung umfassender End-to-End-Modelle, die die komplexen Beziehungen zwischen den einzelnen Geschäftssegmenten und -abteilungen beleuchten.
Eduardo Borio, VP & Chief Controller Sales Europe bei Renault Trucks, fügt ergänzend hinzu: „Modelle sollten eine ‘Business Clock’ enthalten, die simuliert, wie das Unternehmen arbeitet. So können Frühwarnsignale in die Modelle integriert werden, um Szenarien für jede Unternehmensphase zu bewerten und zu entschärfen.“
3. Analyse
Ein effektives Szenario-Management hängt von Analysen der internen und externen Leistungstreiber ab, die oft in umfangreichen Datenquellen verborgen sind.. Diese Analysen, gepaart mit unternehmerischem Urteilsvermögen, sind der Schlüssel zur Entwicklung verschiedener plausibler Szenarien.
„Daten sind die Grundlage für die Analyse und Überprüfung von Abhängigkeiten, sowie für die Verifizierung von Hypothesen anhand historischer Daten. Daraus ergibt sich eine treiberbasierte Planungslogik für das Geschäftsmodell, mittels welcher Szenarien erstellt und Ergebnisse simuliert werden können.“
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox
4. Prozesse
Szenario-Management schafft einen Rahmen für die Abstimmungsprozesse strategischer, finanzieller und operativer Pläne. So können Unternehmen nahtlos und anpassungsfähig auf die wahrscheinlichsten Zukunftsszenarien reagieren. Dieser prozessorientierte Ansatz dient außerdem dazu, die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Stakeholdern zu fördern.
Dieser Meinung ist auch Laurent Claes, Group Controlling Director, YOOX NET-A-PORTER GROUP. Er erklärt: „Für ein effizientes Szenario-Management müssen mehrere Voraussetzungen gegeben sein: Unternehmen müssen Stakeholder einbeziehen, Iterationsprozesse klar definieren, die lokale Eigenverantwortung stärken, sich kontinuierlich verbessern und ihr Handeln auf das wahrscheinlichste Szenario ausrichten.“
5. Menschen
Der Erfolg des Szenario-Managements hängt von jedem Einzelnen im Unternehmen ab. Die gesamte Belegschaft muss proaktiv und kooperativ handeln und die Leistungstreiber genau im Auge behalten. FP&A-Experten mit vielseitigen Kompetenzen sind sowohl Business Partner als auch Vorreiter für Veränderungen. Auch Guillaume Rachline, VP of Finance – Merchandising, E-Commerce und New Business bei Walmart, betont die einzigartige Perspektive, die FP&AExperten einnehmen: „Sie haben einen ganzheitlichen und umfassenden Blick darauf, wie sich verschiedene Szenarien auf das Unternehmen und die Finanzen auswirken.“
„Für das Szenario-Management müssen die Aufgaben von FP&A neu definiert werden. Von der reinen Erstellung von Finanzdaten hin zum strategischen Business Partnering.“
Nahuel Rozas Delpit, FP&A Lead EMEA bei GE Healthcare
6. Technologie
Entscheidend ist eine kollaborative und anpassungsfähige Plattform, die allen an der Planung beteiligten Nutzern eine effiziente, analytische Zusammenarbeit ermöglicht. Sie basiert auf einem zentralisierten und integrierten Geschäftsmodell, mit dem Unternehmen Szenarien verwalten können, die sowohl auf lokale als auch auf Unternehmensanforderungen zugeschnitten sind. Richard Melia, VP of FP&A und Commercial Operations, EMEA bei IQVIA, betont, wie wichtig der Einsatz moderner Technologie für das Szenario-Management ist. Nur so ist eine Modellierung in Echtzeit möglich, mit der die Entscheidungsfindung verbessert werden kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass für ein funktionierendes Ökosystem die sechs oben genannten Komponenten zusammenwirken müssen. Werden diese optimal aufeinander abgestimmt, ermöglichen sie ein erfolgreiches Szenario-Management, mit dem Unternehmen auch in einem dynamischen Umfeld wettbewerbsfähig bleiben.
Alle Elemente müssen einerseits vertikal integriert werden, um die Wünsche der Geschäftsleitung mit der betrieblichen Realität in Einklang zu bringen, und andererseits horizontal, um die Zusammenarbeit zwischen den Fachabteilungen zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu fördern (Abbildung 2).
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Abbildung 2. Ökosystem des Szenario-Managements
In Kapitel 7 werden die einzelnen Elemente in unserem Reifegradmodell genauer unter die Lupe genommen. Das Modell veranschaulicht, wie Unternehmen zu Vorreitern im SzenarioManagement werden können.
4. Die vier wichtigsten Vorteile von Szenario-Management
Nachdem wir uns im vorherigen Kapitel angesehen haben, wie sich das Ökosystem des Szenario-Managements zusammensetzt, wollen wir uns nun den vier praktischen Vorteilen dieses strategischen Rahmens widmen (Abbildung 3).
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Abbildung 3. Die vier Hauptvorteile von Szenario-Management
1. Anpassungsfähigkeit und Agilität: Flexibler auf Unsicherheiten reagieren
Mithilfe des Szenario-Managements können Unternehmen ihre wichtigsten Geschäftstreiber identifizieren und flexibler auf unerwartete Veränderungen reagieren. Kurz gesagt: Anstatt unflexiblen und starren Plänen zu folgen, können Unternehmen proaktiv auf Unsicherheiten reagieren. Diese Anpassungsfähigkeit kann ein wichtiger Wettbewerbsvorteil sein.
Jack Clark, Manager Solution Advisory NEMEA bei Jedox, berichtet von den Erfahrungen bei Henkell Freixenet, einem führenden Schaumweinproduzenten. Mit KI-gestützten Zukunftsszenarien erhöht Henkell Freixenet die Planungsgenauigkeit und erreicht damit eine Prognosegenauigkeit von nahezu 91 %. Jack Clark betont: „Simulationen zeigen einflussreiche Geschäftstreiber effektiv auf, die dann nahtlos in den Planungsprozess integriert werden.“ Dank der Vorhersage von wahrscheinlichen und potenziell problematischen Szenarien können die Teams unternehmensweit an alternativen Strategien arbeiten, die an den Unternehmenszielen ausgerichtet sind. Das führt zu gut durchdachten Strategien und vermeidet übereilte Reaktionen auf unvorhergesehene Herausforderungen.
2. Fundierte Entscheidungsfindung: Vertiefte Geschäftseinblicke
Szenario-Management ist ein wertvolles Tool, um die von der Geschäftsleitung getroffenen Annahmen zu aktuellen Geschäftsmodellen zu hinterfragen. Dieser Meinung sind auch Gill Ringland und Patricia Lustig, Vordenker und Autoren im Bereich Szenarioplanung und Strategie.
So hat etwa ein Leasingunternehmen für Schienenfahrzeuge das Szenario-Management eingeführt und verschiedene Szenarien durchgespielt. Die Ergebnisse bewogen das Unternehmen, seine ursprüngliche Überzeugung zu überdenken – man hatte bis dahin geglaubt, dass die Tätigkeit in einem Markt mit hohem BIP und günstigen Bedingungen für den Schienenverkehr die optimale Strategie sei. Den Ergebnissen ihrer Analysen folgend entschied das Unternehmen dann, einen stärkeren Fokus auf Risiko- und Asset-Management zu legen. Dementsprechend wurden die Geschäftstätigkeiten und Leistungskennzahlen neu ausgerichtet.
Szenario-Management erlaubt Unternehmen, ihre Risiken und Chancen besser zu verstehen. Durch eine enge unternehmensweite Zusammenarbeit können sie Probleme sofort angehen, z. B. kundenseitige Zahlungsschwierigkeiten in Krisenzeiten wie der COVID-19-Pandemie. Sie können sich außerdem schnell auf neue Chancen einstellen und beispielsweise den internationalen Produktvertrieb ausweiten. Auch wichtige soziale und ökologische Aspekte werden berücksichtigt.
3. Kollaborative Ausrichtung: Strategische Zielausrichtung
Bei der klassischen Planung gehen Führungskräfte oft zu vorsichtig vor. Sie fürchten persönliche Konsequenzen, wenn sie von bestehenden Plänen abweichen. Um auf mögliche Budgetkürzungen vorbereitet zu sein, sind Umsatzvorhersagen konservativ und Kosten werden zu hoch angesetzt.
Gleichzeitig können unerwartete externe Faktoren die tatsächlichen Ergebnisse stark beeinflussen. Das wiederum führt unter Umständen zu wenig hilfreichen Schuldzuweisungen oder dazu, dass leistungsschwache Tätigkeiten beibehalten werden.
Ein effektives Szenario-Management beugt solchen Problemen durch offene Kommunikation vor und legt den Fokus auf die wichtigsten Leistungstreiber. Es fördert konstruktive Gesprächsrunden zu Herausforderungen und notwendigen Entscheidungen, was letztlich dem Gesamterfolg des Unternehmens zugutekommt.
Eduardo Borio, VP & Chief Controller Sales Europe bei Renault Trucks, teilt seine beruflichen Erfahrungen zum Thema mit uns. Er berichtet von einem Frühwarnsystem bei einem seiner früheren Arbeitgeber, das auf verschiedenen internen und externen Indikatoren beruhte. Diese Indikatoren decken verschiedene Geschäftsaspekte ab, wie z. B. die Maschinenauslastung, die Betriebsstunden der Anlagen, die Phasen des Produktlebenszyklus und die externen Marktbedingungen. Anhand der Zusammenhänge und Beziehungen zwischen diesen Indikatoren führte das Team faktengestützte Gespräche mit den Betriebsleitern und erstellte einen entsprechenden Aktionsplan für jedes Geschäftssegment.
4. Effiziente FP&A: Optimierte Finanzplanung und -analyse
Szenario-Management zeichnet sich durch optimierte Prozesse aus, die wiederum die Arbeit der Finanzteams effizienter gestalten und mehr Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten schaffen.
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox, berichtet, wie der bekannte europäische Modehersteller und Einzelhändler C&A eine Strategie nach dem Szenario-Management-Ansatz einsetzt, bei der wichtige Treiber wie Arbeitszeiten zusammen mit granularen Daten wie Kosten für Taschen priorisiert werden. Mit Szenario-Management konnten viele manuelle Aufgaben automatisiert und die Dauer des Planungszyklus um fast zwei Drittel verkürzt werden. Die gewonnene Zeit kann jetzt für wertschöpfende Tätigkeiten genutzt werden. Im Handumdrehen konnten Modelle für geschätzte Personalkosten erstellt und das Finanzteam so zu einem agilen Echtzeit-Business Partner werden, der Vertragsverhandlungen durchführt.
5. Herausforderungen auf dem Weg zum Szenario-Management
Die Umstellung auf Szenario-Management birgt einige Herausforderungen. Anhand unserer Interviews konnten wir sieben gemeinsame Problembereiche identifizieren (Abbildung 4), die im Folgenden erläutert werden. In Kapitel 8 befassen wir uns mit Strategien, um diese Herausforderungen zu bewältigen.
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Abbildung 4. Herausforderungen bei der Einführung von Szenario-Management
1. Widerstand gegen Kulturwandel
Klassische Planungsmethoden gepaart mit mangelnder Veränderungsbereitschaft können die Einführung von Szenario-Management so lange behindern, bis schließlich eine Krise zum Handeln zwingt.
Viele Unternehmen sind in ihren klassischen Planungsmethoden festgefahren. Obwohl sie wissen, dass diese nicht mehr zweckdienlich sind, zögern sie, etwas am Status quo zu ändern. Sie befürchten auch, dass der Umstieg auf das Szenario-Management unternehmerische oder persönliche Schwachstellen aufdecken könnte.
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox, betont: „Eine datengetriebene Darstellung des Unternehmens macht Geschäftstätigkeiten sichtbar und messbar. Gerade wenn es darum geht, die Zusammenarbeit neu zu gestalten oder neue Methoden einzuführen, stößt man zunächst auf Ablehnung. Leider braucht es oft erst eine Krise, bevor die Geschäftsleitung erkennt, dass der bestehende Planungsprozess nicht mehr geeignet und es Zeit für Veränderungen ist.“
2. Unkoordinierte Planungsprozesse
Beim Szenario-Management müssen die drei wichtigsten Planungsbereiche – Strategie, Finanzen und Betrieb – in einem einheitlichen Prozess harmonisiert werden. Dazu müssen die Modelle so miteinander verknüpft werden, dass sie wie ein einziges System funktionieren und Ergebnisse problemlos untereinander ausgetauscht werden können. Dies erfordert zusätzlich eine geeignete technische Lösung, auf die wir später zurückkommen werden.
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Abbildung 5. Unternehmensumfrage zum Stand der Prozessintegration – 735 Antworten
Unsere jüngste Umfrage ergab, dass nur 12 % der Unternehmen einen vollständig integrierten Prozess haben. 28 % geben an, dass ihr Prozess gar nicht integriert ist (Abbildung 5).
3. Schlechte Datenqualität
Ein erfolgreiches Szenario-Management beruht auf einer hohen Datenqualität – ein Punkt, an dem viele Unternehmen noch arbeiten müssen. Laut FP&A Trends Survey 2023 treffen nur 6 % der Unternehmen ihre Entscheidungen vollständig datenbasiert. 46 % der Unternehmen treffen ihre Entscheidungen vorwiegend datenbasiert, und 48 % verlassen sich immer noch überwiegend auf ihr Bauchgefühl und persönliches Urteilsvermögen.
„Eine der größten Herausforderungen ist die Verfügbarkeit und Qualität guter Daten. Die Daten sind oft unsauber, ungenau und liegen auf unterschiedlichen, nicht vergleichbaren Aggregierungsebenen vor. Der Aufwand für die Bereinigung und Verfeinerung der Daten ist mitunter enorm.“
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox
Entscheidend ist die richtige Balance zwischen Daten und Intuition. Diese Balance müssen viele Unternehmen jedoch erst noch finden.
Unzureichende Datenqualität ist ein großes Problem. Rund ein Drittel der befragten Unternehmen hat Schwierigkeiten, Daten aus verschiedenen Quellen zusammenzuführen, da jede Quelle eigene Definitionen verwendet. Die Daten zusammenzuführen kostet die Finanzteams viel Zeit und Nerven.
Auf die Frage, welche Schwierigkeiten ihnen im FP&A-Prozess am meisten Kopfzerbrechen bereiten, gab die Mehrheit der Befragten (36 %) an, dass es keine zentrale Datenquelle gibt, auf die sich alle verlassen können. An zweiter Stelle steht die Datenkomplexität (23 %), gefolgt von Inkonsistenzen bei der Kategorisierung (16 %) (Abbildung 6).
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Abbildung 6. Die größten Herausforderungen bei FP&A-Prozessen
Offensichtlich muss die Datenqualität in Unternehmen dringend verbessert werden. Unzureichende Daten führen nicht nur zu schlechten Analysen, sondern verhindern auch eine effektive Entscheidungsfindung im Unternehmen.
4. Zeitmangel
Ein weiterer kritischer Faktor ist die Zeit. Diese ist bei der Einführung von Szenario-Management in der Regel knapp. Jack Clark, Manager Solution Advisory NEMEA bei Jedox, erklärt: „Viele Unternehmen haben Schwierigkeiten, ihre jährlichen Budget- und Prognosezyklen zeitnah abzuschließen. Werden diese Prozesse nicht im Sinne einer effizienten Zusammenarbeit und schnellen Ausführung optimiert, kann die Szenarioplanung unmöglich erfolgreich umgesetzt werden.“ Zusätzlich kommt es häufig zu Verzögerungen, wenn es darum geht, die Beiträge der verschiedenen Stakeholder zu koordinieren und zu validieren. Oft wird unterschätzt, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit für ein koordiniertes und effizientes Vorgehen ist.
5. Unzureichende dynamische Planungsmodelle
Für ein erfolgreiches Szenario-Management ist es wichtig, die strategischen Unternehmensziele, das Geschäftsumfeld und die operativen Prozesse zu kennen, und vor allem zu verstehen, wie all diese Elemente zusammenwirken. Dieses Wissen fließt dann in treiberbasierte Modelle für die Erstellung und Änderung von Plänen ein.
Aus unserer jährlichen Umfrage geht hervor, dass nur 14 % der eingesetzten Modelle vollständig prognosefähig sind, wobei 3 % mithilfe von künstlicher Intelligenz und Machine Learning (KI/ ML) automatisiert wurden. Zwanzig Prozent der Modelle sind statisch, d. h. sie können nicht auf verändernde Geschäftstreiber reagieren. 66 % der Modelle enthalten nur einzelne prognostische Elemente (Abbildung 7).
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Abbildung 7. Aussagen der Unternehmen zur Prognosefähigkeit ihrer Modelle – 1372 Antworten
Umfassende Prognosemodelle auf Basis von Leistungstreibern sind ein wesentlicher Bestandteil des Szenario-Managements. Ohne sie ist es nicht möglich, realistische Zukunftsszenarien zu ermitteln und zu bewerten.
6. Angst davor, Fehler zu machen
Laut Massimo Magliocco, Financial Planning Director bei STMicroelectronics, ist die Umstellung auf Szenario-Management „ein komplexer Prozess – er ist vielschichtig, umfasst verschiedene Geschäftsvariablen und ist kein einfaches Tool bzw. kein einfacher Entscheidungsbaum.“ Er fügt hinzu, das Ganze sei nicht zum Nulltarif zu haben. Das bedeute, dass Unternehmen auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein müssen, die wiederum Kosten verursachen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die Befürchtung groß, dass – wie bei jeder Veränderung – der Aufwand zu groß oder zu umfangreich ist, sich negativ auf das laufende Geschäft auswirkt und damit zum Scheitern verurteilt ist.
7. Ungeeignete Systeme
Auch der Faktor Technologie ist eine wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches SzenarioManagement. Mit technologischer Hilfe können Treiber identifiziert und Forecasts sowie Szenarien erstellt werden. Es hat sich gezeigt, dass die meisten Unternehmen nicht oder kaum dazu in der Lage sind, da ihnen die entsprechenden Systeme fehlen. Wir haben eine Umfrage durchgeführt, um zu erfahren, wie viele Unternehmen Szenarien durchspielen können. 10 % der Unternehmen gaben an, dass sie das nicht können, 62 % können Szenarien zwar durchspielen, allerdings nur mit großem Zeitaufwand. Nur 28 % der Unternehmen können Szenarien entweder in Echtzeit oder innerhalb eines Tages durchspielen (Abbildung 8).
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Abbildung 8. Aussagen der Unternehmen zu ihrer aktuellen Szenarioplanungsfähigkeit in FP&A 1539 Antworten
Bei der Frage nach den eingesetzten Tools gaben nur 9 % der Unternehmen an, ein spezielles treiberbasiertes Planungssystem zu haben, mit dem Szenarien durchgespielt werden können. Die Mehrheit (75 %) nutzt Excel, ein Programm, das weder dem Umfang noch der Komplexität der Daten gerecht wird, geschweige denn flexibel genug ist (Abbildung 9).
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Abbildung 9. Aussagen der Unternehmen zu ihrem Szenarioplanungsmodell 414 Antworten
Um unter den riesigen Datenmengen der heutigen Geschäftswelt die relevanten Treiber zu identifizieren, bedarf es moderner Predictive Analytics auf Grundlage von KI/ML, die nach Mustern und Zusammenhängen suchen. Unsere jährliche Umfrage im April 2023 hat allerdings ergeben, dass nur 7 % der Unternehmen derzeit Predictive Analytics einsetzen – und das trotz erschwinglicher Preise und vielfältiger Möglichkeiten. Rund 54 % der Befragten beabsichtigen immerhin, diese Technologie im kommenden Jahr einzuführen.
Predictive Analytics bietet zwar Genauigkeit, aber nur mit treiberbasierten Modellen lassen sich auch schnell umfassende Forecasts erstellen. Laut unserer jährlichen Umfrage sind allerdings nur 21 % der Modelle überwiegend treiberbasiert. Zwar gaben 40 % der Befragten an, dass ihre Systeme sehr genau seien, aber nur 17 % konnten Vorhersagen in weniger als zwei Tagen erstellen. Die Mehrheit (51 %) der Unternehmen benötigt mindestens fünf Tage, um Vorhersagen zu erstellen. Das ist insofern bedenklich, als ein angepasstes Forecasting unerlässlich ist, damit Unternehmen agil und anpassungsfähig bleiben.
Unsere Umfrage ergab auch, dass veraltete Technologien die Arbeit der FP&A-Abteilungen erschweren. Von den befragten Finanzteams, die einen hohen manuellen Arbeitsaufwand melden, nutzen 70 % Spreadsheets oder andere, veraltete Tools für Planung und Analyse.
Empfehlungen
Nahuel Rozas Delpit rät Finanzteams Folgendes:
Laut Rozas Delpit spielen auch Technologie und Analytik eine wichtige Rolle bei der Umstellung auf Szenario-Management. Er plädiert für eine End-to-End-Integration von Daten, Systemen, Infrastruktur und Prozessoptimierung. Er betont auch, dass die Umstellung nur mit Unterstützung durch die Führungsebene und ein funktionierendes Change Management gelingen kann.
6. Szenario-Management in Planungsprozesse einbeziehen
Wie bereits erwähnt, ist Szenario-Management ein agiler, kollaborativer und in sich geschlossener Ansatz, der strategische, finanzielle und operative Planungen aufeinander abstimmt. Der Prozess ist kollaborativ und intelligent, d. h. es werden miteinander verknüpfte Modelle innerhalb einer gemeinsamen Planungsplattform verwendet.
Szenario-Management kann für folgende Zwecke eingesetzt werden:
Aus unseren Interviews haben wir die nachfolgenden sechs Schritte für die Entwicklung und Verwaltung von Szenarien abgeleitet (Abbildung 10):
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Abbildung 10. Der Zyklus des Szenario-Managements
Schauen wir uns die einzelnen Schritte im Detail an.
1. Definition des Umfangs
Zunächst muss der Umfang der zu verwaltenden Szenarien definiert werden. Das bedeutet, dass alle aktuellen und für das Unternehmen relevanten Gegebenheiten, etwa Krisen oder Chancen, sowie der entsprechende Zeitraum ermittelt werden müssen. Ein definierter Umfang bedeutet, dass sich die Geschäftsleitung auf das Wesentliche konzentrieren und die wichtigsten betroffenen Stakeholder identifizieren kann.
2. Definition wichtiger Treiber
Sobald der Umfang feststeht, müssen die wichtigsten Faktoren bzw. Treiber ermittelt werden, die einen wesentlichen Einfluss auf die Unternehmensperformance haben. Dazu zählen sowohl interne als auch externe Treiber wie Marktbedingungen, Kundenverhalten und Wirtschaftstrends. Zu den Methoden zur Identifizierung dieser Treiber zählen eine Kombination aus historischer Datenanalyse, KI/ML-gestütztem Data Mining und Sondierungsgesprächen mit den Beteiligten.
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox, empfiehlt eine automatisierte Treiberidentifikation. Seiner Meinung nach sollten restriktive Ansätze mit Excel o. Ä. unbedingt vermieden werden. Statistische Zusammenhänge seien für die Untersuchung von Datenbeziehungen auf verschiedenen Aggregierungsebenen nützlich. Eine Automatisierung ist dann sinnvoll, wenn das System dadurch kontinuierlich lernt, Zusammenhänge anpasst und somit besser auf sich verändernde Umstände reagieren kann.
3. Prüfung und Analyse von Daten
Bevor eine Vorhersage erstellt wird, muss geprüft werden, ob die Daten methodisch erfasst wurden, zuverlässig sind und für die Analyse zur Verfügung stehen. Die Daten können sowohl qualitativ als auch quantitativ sein.
4. Erstellung und Entwicklung von Szenarien
Viele der von uns befragten Personen hielten die Einbindung eines abteilungsübergreifenden Teams in den Vorhersageprozess für besonders wichtig, um ein ganzheitliches Bild zu erhalten. Michael Huthwaite, Director of Product Management, Intelligent Reporting bei Walmart, nennt zwei Modellierungsansätze für Vorhersagen:
Aravinda Tiwari, CFO – AL TAIF bei EDGE, hat festgestellt, dass Unternehmen von genaueren und zuverlässigeren Szenarien profitieren, wenn sie die genannten Modellierungsfunktionen bewusst einsetzen. Zusätzlich sorgen diese Methoden für mehr Transparenz und fließen in die Entscheidungsfindung im Bereich FP&A ein.
„Die Identifizierung und Beherrschung von Risiken und Chancen sind ein wichtiger Teil des Szenario-Managements.“
Pradeep Mucherla, FD, Corporate Services bei Calvary Health Care
Laut Massimo Magliocco, Financial Planning Director bei STMicroelectronics gilt es bei der Entwicklung von Szenarien Folgendes zu beachten:
Eduardo Borio, VP & Chief Controller Sales Europe bei Renault Trucks, empfiehlt die Konzentration auf höchstens fünf Szenarien, die ausführlich und sorgfältig dokumentiert werden.
5. Entwicklung eines Aktionsplans
In diesem Schritt wird für die wahrscheinlichsten Szenarien ein Aktionsplan entwickelt, damit ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen. Dieser Aktionsplan muss nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet werden, er sollte jedoch realistisch sein und Einzelheiten zu den potenziellen finanziellen Mitteln, den Ausgaben und den Grundlagen dieser Elemente enthalten.
6. Kommunikation, Pflege und Aktualisierung
Schließlich müssen die Betroffenen über die gewählten Szenarien informiert werden und einen groben Überblick über den möglichen Eintrittszeitpunkt erhalten. Die Szenarien müssen regelmäßig aktualisiert und die Treiber anhand von KPIs und Dashboards überwacht werden.
Die Rolle von FP&A
FP&A spielt bei der Entwicklung und Verwaltung von Szenarien eine entscheidende Rolle. Serkan Terlikci, CFO bei eBay in Deutschland, über die Rolle von FP&A:
7. Reifegradmodell für Szenario-Management
Das Reifegradmodell dient Unternehmen als Orientierungshilfe und Transformationstool auf dem Weg zum Szenario-Management. Ausgehend von den verschiedenen Elementen des in Kapitel 3 beschriebenen Ökosystems werden die fünf Phasen (von der Basis bis führend) identifiziert, die Unternehmen bei der Umstellung von der Szenarioplanung auf Szenario-Management durchlaufen können.
Wie erfolgreich das Szenario-Management ist und welchen relativen Reifegrad das Unternehmen hat, hängt davon ab, wie tief und umfassend die einzelnen Elemente jeweils umgesetzt wurden. Jedes Element kann einen anderen Reifegrad aufweisen. Der höchste Reifegrad hat folgende Merkmale:
Daten
Daten bilden die Grundlage für Performance-Analyse, Vorhersagen und Planungen. Für Szenario-Management des höchsten Reifegrads müssen die Daten die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
Modelle
Modelle sind die mathematische Darstellung eines Unternehmens und seines Geschäftsumfelds. Für den höchsten Reifegrad müssen Modelle die folgenden Voraussetzungen erfüllen:
Analyse
Szenario-Management braucht moderne Analysetools zur umfassenden Analyse interner und externer Daten. Für den höchsten Reifegrad müssen Tools mit modernen Vorhersagemethoden eingesetzt werden, um
Diese Tools können Daten und Modelle entweder automatisch analysieren oder von Endnutzern entsprechend ihrer Kenntnisse und Erfahrungen angepasst werden.
Prozess
Managementpläne werden unternehmensweit mithilfe von Prozessen erstellt, umgesetzt und geändert. Für das Szenario-Management sollte idealerweise ein kollaborativer Prozess gewählt werden, da so Wissen über die einzelnen Tätigkeiten und die bedienten Kunden ausgetauscht werden kann. Prozesse des höchsten Reifegrads umfassen:
FP&A-Rolle
FP&A spielt eine Schlüsselrolle bei der Entscheidungsfindung auf Managementebene. Auf dem höchsten Reifegrad des Szenario-Managements muss das Finanzteam die folgenden Anforderungen erfüllen:
Technologie
Das letzte Element sind die Systeme, die zur Analyse, Entwicklung, Überwachung und Bewertung alternativer Pläne eingesetzt werden. Auf dem höchsten Reifegrad des Szenario-Managements umfasst die eingesetzte Technologie folgende Funktionen:
Zusammen bilden diese sechs Elemente das, was wir „Integrierte FP&A“ nennen. Dabei handelt es sich um einen kollaborativen, flexiblen, dynamischen, schnellen, umfassenden und faktengestützten Entscheidungsfindungsprozess, der darauf ausgelegt ist, mit Unsicherheiten umzugehen.
Empfehlungen
Für IQVIA hat die Pandemie einmal mehr gezeigt, wie allgegenwärtig Unsicherheit ist. Unternehmen müssen daher Szenarien entwickeln können, die unvorhergesehene Ereignisse berücksichtigen, z. B. disruptive Wettbewerber, Gesetzesänderungen mit Auswirkung auf die Geschäftsmodelle, oder einschneidende Ereignisse wie eine weltweite Pandemie. Richard Melia betont, wie wichtig diese Kompetenz für Finanzteams in unserer heutigen schnelllebigen Zeit ist.
Ein wesentlicher Teil des Szenario-Management-Prozesses besteht darin, die wichtigsten Faktoren und Annahmen zu identifizieren. Kennen Führungskräfte bzw. Unternehmen diese nicht, kann sich das negativ auf den potenziellen Nutzen des Szenario-Managements auswirken, weil die Zusammenhänge zwischen Treibern und Annahmen nicht bewertet werden können.
Die Bewertung dieser Zusammenhänge bedarf moderner Technologien, mit denen eine Modellierung in Echtzeit möglich ist und die die Entscheidungsfindung unterstützen.
Das Szenario-Management ist ein wichtiges Tool, mit dem Finanzteams zu wertvollen Business Partnern werden und ihrem Unternehmen helfen, Risiken zu mindern und Chancen zu nutzen.
8. Implementierungsstrategie für das Szenario-Management
Aus unseren Interviews gehen acht Implementierungsstrategien für die Umstellung auf Szenario-Management hervor (Abbildung 12).
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Fig. 12: Implementation Strategies for Moving to Scenario Management
1. Zustimmung der Geschäftsleitung
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox, betont, wie wichtig effektive Change-Management-Strategien für die Einführung der szenariobasierten Planung im Unternehmen sind. In erster Linie müssen die Führungskräfte mitziehen und es muss eine klare Kommunikation stattfinden. Ferner müssen die Vorteile des Szenario-Managements regelmäßig und transparent an alle Stakeholder kommuniziert werden. Dank der Definition klarer und messbarer Ergebnisse können auch die tatsächlichen Fortschritte verfolgt und die positiven Auswirkungen des Szenario-Managements auf die Entscheidungsfindung und die Performance aufgezeigt werden.
Aus Erfahrung weiß Vikram Goel, Deputy CFO der City National Bank, dass der erste und wichtigste Schritt bei der Umstellung auf Szenario-Management darin besteht, die Zustimmung der Geschäftsleitung zu gewinnen. Der Grund hierfür: Das Szenario-Management setzt Veränderungen im Verhalten der Stakeholder und der wichtigsten Prozesse voraus. Neben der Zustimmung der Geschäftsleitung ist es auch wichtig, mit den verschiedenen Geschäftsbereichen zusammenzuarbeiten, da diese die Daten für die Finanzmodelle liefern. Ihr Input ist entscheidend, um diese Informationen zu nutzen und analysieren zu können.
2. Vollständige Daten
Um Treiber zu identifizieren und mögliche Zukunftsszenarien vorherzusagen, müssen Finanzdaten und Daten ohne Finanzbezug kombiniert werden. Laut Ivo de Brouwer, Cycles & Procurement Finance Project Director bei Danone, sollten Unternehmen KPIs ohne Finanzbezug definieren und in die betrieblichen Abläufe integrieren. Dabei ist es unabdingbar, dass KPIs unternehmensweit einheitlich gemessen werden.
Er empfiehlt außerdem, für Geschäftsentscheidungen so viele (interne und externe) Datenquellen wie möglich zu kombinieren. Das funktioniert nur, wenn unternehmensweit einheitliche Datendefinitionen verwendet werden, einschließlich harmonisierter Hierarchien für Produkte, Marken, Kunden und Kanäle.
3. Enge Abstimmung von FP&A mit dem Unternehmen und seinen Anforderungen
Für ein effektives Szenario-Management müssen die Finanz- und Fachabteilungen zusammenarbeiten und miteinander kommunizieren. In unserer diesjährigen Umfrage gaben 17 % der Befragten an, dass sie Kompetenzen im Bereich Business Partnering in FP&A für zunehmend wichtig halten. Um genau zu sein, sehen 41 % der FP&A-Abteilungen Kompetenzen in diesem Bereich als wichtigste Einstellungsvoraussetzung.
Das Ergebnis zeigt ein wachsendes Bewusstsein für die Kluft zwischen Finanz- und anderen Unternehmensbereichen und die Notwendigkeit, diese zu schließen. Der FP&A-Bereich ist im Wandel; dabei steht eine effektive Partnerschaft mit den Stakeholdern im Vordergrund.
Ivo de Brouwer von Danone geht sogar noch einen Schritt weiter: Für ihn bedeutet effektives Business Partnering, die Häufigkeit und Granularität des Reportings zu reduzieren und sich mehr auf die Szenarien und Aspekte zu konzentrieren, die für das Unternehmen wirklich wichtig sind. Er betonte auch, wie wichtig es sei, sich auf die lokale Ebene zu konzentrieren, die Matrixorganisation zu vereinfachen und es einzelnen Ländern oder Regionen zu ermöglichen, die lokalen Märkte zu verstehen und schnellere Entscheidungen zu treffen.
4. Harmonisierung strategischer, finanzieller und operativer Prozesse
Bisher wurden die strategische, die finanzielle und die operative Planung in getrennten Prozessen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlichen Modellen durchgeführt. Das führte häufig zu Diskrepanzen zwischen Strategie und Handeln. Für ein erfolgreiches Szenario-Management müssen diese drei wichtigen Planungsprozesse so aufeinander abgestimmt sein, dass die Inputs und Outputs der einzelnen Prozesse miteinander verknüpft sind. Letztlich sind sie alle Teil desselben Prozesses, nämlich der Ausrichtung des unternehmerischen Handelns an den strategischen Zielen.
5. Erstellung realistischer Planungsmodelle
Michael Huthwaite, Director of Product Management, Intelligent Reporting bei Walmart, ist der Ansicht, dass Modelle die verschiedenen Lebensphasen der Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens abdecken sollten. Von den Anfängen über die Entwicklungsphase, die erste Einführung, das Wachstum und die Reife bis hin zur Sättigung und zum Rückgang. Es ist wichtig, die Auswirkungen auf alle Annahmen und Variablen in jeder Phase zu bewerten. Jede Phase erfordert unterschiedliche Ressourcen und führt zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Alle Befragten gehen davon aus, dass die kontinuierliche Verbesserung und Verfeinerung der Modelle durch Rückvergleiche, bei denen die Modellergebnisse mit realen Daten verglichen werden, unerlässlich ist.
6. Verbesserung der FP&A-Kompetenzen
Im Laufe der Jahre hat sich die FP&A-Abteilung nicht nur zu Finanzexperten, sondern auch zu Experten für Datenmanagement und -analyse entwickelt. Nahuel Rozas Delpit, FP&A Lead EMEA bei GE Healthcare, ist überzeugt, dass sich Finanzteams von rein finanziellen Berichterstattern zu aktiven Entscheidungsträgern entwickeln müssen, um einen aktiven Beitrag zum Szenario-Management leisten zu können. Diese Transformation ließe sich durch die Erstellung einfacher Szenarien erreichen, die auf einem umfangreichen, durch KI/ML generierten Datensatz basieren. Er ist auch der Meinung, dass die FP&A-Abteilung agiler und strategischer denken sollte, mit verbessertem Relationship Management und Überzeugungskraft und einem Fokus auf Kommunikation und Visualisierung.
In unseren jüngsten Forschungsberichten betonen wir immer wieder, dass es innerhalb von FP&A verschiedener Rollen bedarf. Diese sehen unter anderem wie folgt aus:
Dr. Rolf Gegenmantel, Chief Product Officer bei Jedox, bestätigt: „Alle Beteiligten brauchen die notwendigen Kompetenzen, um Szenarioanalysen zu verstehen und durchzuführen, die Ergebnisse zu nutzen und zu kommunizieren.“ Außerdem müssten Weiterbildungsmaßnahmen auf den bereits in der Belegschaft vorhandenen Kompetenzen aufbauen.
7. Investition in die richtigen Technologien
Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Szenario-Management eine Unterstützung durch moderne Technologien und Systeme braucht. Diese Technologien müssen folgende Funktionen erfüllen:
Wir haben festgestellt, dass Excel nach wie vor eine wichtige Rolle im Bereich FP&A spielt. Demzufolge ist es wichtig, dass die oben genannten Funktionen auch für die Arbeit mit Spreadsheets nahtlos integriert werden können.
Neue Technologien wie integrierte Planungsplattformen haben einen großen Einfluss auf FP&A, da sie auf mehr Daten zugreifen und diese schneller verarbeiten können.
Jack Clark, Manager Solution Advisory NEMEA bei Jedox, erklärt, dass neue Technologien eingesetzt werden können, um KI-basierte Vorhersagen zu stützen, bestehende Datensätze zu bereinigen, indem Ausreißer aus historischen Daten entfernt werden, und automatisch neue Szenarien durchzuspielen, wenn sich ein externer Treiber wie etwa die Inflationsrate ändert. Er weist auch darauf hin, dass mit KI Vorhersagen über Geschäftsentwicklungen getroffen werden können, die auf weitaus mehr Datenpunkten basieren, als ein Mensch berücksichtigen könnte. Das wiederum führt zu genaueren Plänen.
Eduardo Borio, VP & Chief Controller Sales Europe bei Renault Trucks, sieht in der Automatisierung von Prozessen und Analysen den Grundstein für ein effizientes Frühwarnsystem. Er fügt hinzu: „Die heutigen Systeme ergänzen unsere menschlichen Fähigkeiten, indem sie ohne unser Zutun detaillierte Analysen erstellen und zusammenfassen. So bleibt der Geschäftsleitung mehr Zeit, sich auf die richtigen Maßnahmen zu konzentrieren.“
Aber die Automatisierung bietet noch weitere Vorteile. Kajetan Lubina, Division CFO bei Yanmar, erklärt, dass Prozessautomatisierung „ein besseres Verständnis für die verschiedenen Faktoren im Unternehmen und deren Zusammenspiel schafft. Dieses Verständnis wiederum erleichtert Modellanpassungen und führt zu verbesserten Verfahren und einer höheren Prognosegenauigkeit.“
8. Klein anfangen
„Ein neuer Prozess sollte auf dem Know-how der Belegschaft aufbauen“, so Dr. Rolf Gegenmantel. Er fährt fort: „Um Vertrauen aufzubauen ist es sinnvoll, mit kleinen Pilotprojekten zu starten und so zu demonstrieren, welche Vorteile das Szenario-Management mit sich bringt. Anschließend kann man das Szenario-Management schrittweise einführen, mögliche Probleme beheben und an die Anforderungen des Unternehmens anpassen.“
Dem stimmt Jack Clark zu: „Am besten startet man mit ausgewählten und unternehmensweit definierten Treibern, um einige grundlegende Szenarien zu planen. Dafür sollte am ehesten der Finanzbereich zuständig sein, wo es wichtig ist, ein tiefes Verständnis für das Geschäftsmodell der Szenarioplanung einschließlich der Daten, Prozesse und Tools zu entwickeln.“
„Mit Unterstützung der Geschäftsleitung sollte dann die Anzahl der Treiber erhöht werden, um komplexere und genauere Szenarien zu entwickeln. Dafür braucht man in der Regel den Input verschiedener Geschäftsbereiche. Mit dem geballten Know-how können Szenarien dann einfach und schnell erstellt werden. Auch Business Partnering ist an dieser Stelle entscheidend“, fügt Clark hinzu.
9. Zusammenfassung und Ausblick
Wir leben in einer unsicheren Welt, aber wie Michael Huthwaite, Director of Product Management, Intelligent Reporting bei Walmart, anmerkt, bietet gerade diese Unsicherheit auch eine große Chance für Unternehmen, die in der Lage sind, erfolgreiche Pläne zu entwickeln und umzusetzen. „Trotz aller technologischen Fortschritte“, fährt er fort, „stecken wir bei der Entwicklung der Szenarioplanung immer noch in der Vergangenheit fest. Viele Unternehmen greifen nach wie vor auf veraltete Methoden wie Varianzanalyse, Korridorplanung und Schachdiagramme zurück.“
Die Lösung der Zukunft liegt im Szenario-Management, bei dem mehrere quantifizierbare Szenarien zur Identifizierung möglicher Chancen genutzt werden. Das Szenario-Management dient auch als Grundlage für Diskussionen über Unsicherheit und was genau sie für das Unternehmen als Ganzes eigentlich bedeutet. Außerdem kann die Geschäftsleitung die relativen Vorteile verschiedener Strategien und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten bewerten.
Eduardo Borio, VP & Chief Controller Sales Europe bei Renault Trucks, betont, wie wichtig es ist, Szenario-Management in der Unternehmenskultur zu verankern und es nicht nur als strategisches Tool, sondern als Teil der Unternehmens-DNA zu sehen.
Dem kann Wojciech Porebski, VP of Finance, Grids & Power Quality Solutions bei Hitachi Energy, nur zustimmen: „Szenario-Management ist ein wichtiges Tool, um robuste und anpassungsfähige Strategien zu entwickeln, Maßnahmen umzusetzen, Herausforderungen zu bewältigen und in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld Chancen zu nutzen“.
Vikram Goel, Deputy CFO der City National Bank, betont, dass Führungskräfte beim SzenarioManagement vor allem von wertvollen und aktuellen Informationen profitieren, die eine Entscheidungsfindung in Echtzeit ermöglichen. Damit kann FP&A aktiv zur Wertschöpfung beitragen und den Entscheidungsprozess maßgeblich unterstützen.
Mit Blick auf die Zukunft wird deutlich, dass die Digitalisierung viele technologische Innovationen vorantreibt, die sich zukünftig auch auf das Szenario-Management in FP&A auswirken werden. Cloudbasierte Plattformen werden immer leistungsfähiger und können immer größere und vielfältigere Datenmengen verarbeiten und Echtzeitanalysen durchführen. Auch Funktionen zur Verarbeitung natürlicher Sprache verändern die Art und Weise, wie Geschäftsanwender mit Finanzsystemen interagieren. Das führt zu besseren Ergebnissen, ohne dass dafür umfangreiche technische Kenntnisse erforderlich wären.
Um den Anschluss nicht zu verlieren, ist es jetzt an der Zeit, sich mit dem SzenarioManagement auseinanderzusetzen. Mithilfe des in Kapitel 7 vorgestellten Reifegradmodells können Unternehmen einschätzen, in welcher Phase sie sich derzeit befinden und Strategien für die Erreichung der nächsten Stufe des Reifegradmodells entwickeln.